Lean und oder Agile #1

Mein Ziel ist es, in diesem Teil Lean für die Agile Community zu erklären, und im nächsten Teil umgekehrt.

Beginnen wir heute mit Lean Management


Leute, die nicht in Japan auf Studienreisen waren, haben wahrscheinlich große Schwierigkeiten, sich echtes Lean vorzustellen. Ich spreche aus Erfahrung. Ich war jahrelang begeisterter Lean Manager, glaubte Alles zu verstehen, um dann festzustellen… oh sh.t, das ist ja ganz anders.

Erst in Japan hatte ich meinen Satori-Moment.

Liebe Lean Manager, wenn ihr die Begriffe Monozukuri, Hitozukuri, Bekori-Rate, Takumi nicht kennt, dann habt ihr eigentlich keine Ahnung von echtem Lean.

Dann solltest du entweder einen Flug nach Japan buchen oder schleunigst die Bücher von Mari Furukawa-Caspary lesen. Wenn du einen ersten Vorgeschmack haben möchtest, bist du hier richtig. Im Wesentlichen ist es ab hier ein wilder Mix aus Maris Büchern und meinen eigenen Ergänzungen und Formulierungen.


Also, worum geht es beim Thema Lean eigentlich?

Es geht nicht primär darum, Muda zu reduzieren und produktiver zu werden. Beim Thema Lean geht es auch nicht um hohe Gewinne oder schnelles Greifen bis zum Umfallen.

  • Es geht darum, mit seinem Handwerk ein gutes und dauerhaftes Auskommen zu schaffen – gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern.
  • Es geht darum, zügig und geschickt zu arbeiten.

Sobald ein Kundenbedarf eingeht, soll das Produkt möglichst rasch und ohne Qualitätsfehler durchrutschen. Alles, was den Rutsch verzögert, ist Potenzial zur Verbesserung – nicht mehr und nicht weniger.

„Lass das Produkt nicht warten!“ & „Es soll nichts für die Katz sein.“

Wenn du es möglichst in einem Rutsch und mit passender Qualität schaffst , dann hast du automatisch auch die Kosten im Griff.

„Alles, was wir tun, ist, auf die Durchlaufzeit zu achten, und zwar von dem Moment an, in dem wir einen Kundenauftrag erhalten, bis zu dem Moment, da wir das Geld in Empfang nehmen. Wir verkürzen die Durchlaufzeit, indem wir alle Bestandteile eliminieren, die keinen Mehrwert generieren.“ – Taiichi Ohno


Wie ist Lean eigentlich entstanden?

Lean ist bei Toyota entstanden. In der Nachkriegszeit waren die Japaner am Boden, sie waren geografisch & weltpolitisch isoliert und hatten fast keine Ressourcen.

Um zu überleben, war ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen essenziell. Um erfolgreich zu sein, musste man ohne „Economy of Scale“ ein gutes Auskommen schaffen.

Und diese Bedingungen manifestierten sich in den Lean-Grundfesten.

  • Dinge in einem Rutsch herstellen führen zu Kundenorientierung, Pull-Systemen und One-Piece Flow.
  • Schnell sein und wenig Kapitalbindung führt zu Flow-Denken.
  • Gut planen & rasch reagieren auf Änderungen führt zu Yamazumi, Heijunka und Kanban.
  • Mach nichts für die Katz führt zu Standards, #Kaizen, Poka Yoke usw.
  • Schnell Dinge finden, die nicht funktionieren, führt zu Shopfloor Management, Visual Management, Andon, usw.
  • Alle auf gemeinsame Ziele ausrichten, führt zu Hoshin Kanri.

Nachdem Toyota in einer Branche ist, in der repetitive komplexe Prozesse mit Bedarfsschwankungen vorherrschen, haben sich auch viele Methoden und Tools entwickelt, die in diesem Umfeld wirksam sind.

Wäre Toyota in einer anderen Branche oder in einem anderen Umfeld gewesen, hätten sich zwangsläufig ganz andere Methoden & Tools „manifestiert“.

Es geht also nicht darum, stupide die Tools anzuwenden, sondern dem Fluss zuzuarbeiten. Die Queens of the Stone Age haben das schon immer gewusst: „Go with the flow.“


Leider hat die tayloristische Welt, d.h. viele Geschäftsführer, Bereichsleiter und Controller echtes Lean nicht verstanden.

  • Bei Taylor zählt Auslastung/Produktivität & OEE maximieren, Kosten reduzieren.
  • Ebenso ist Wachstum im Fokus, um dadurch Fixkosten zu reduzieren und Economy of Scale Effekte zu generieren. Dass die Komplexität mit der Größe exponentiell zunimmt und die Kostengewinne oft mehr als aufgefressen werden, haben die Controller nicht so oft auf der Rechnung. (Sorry liebe Controller.)

Taylor teilte die Welt in denkende Menschen und ausführende Menschen. Mittels Akkord bezahlte Mitarbeiter entwickeln Söldnerdenken, aber sicher keinen Teamgeist. In der Kostenrechnung ist Personal ein Kostenfaktor. Mit Taylor kann man etwas gut und viel davon machen, aber man kann kein hohes handwerkliches Niveau erreichen.

Die Vorstände und Geschäftsführer wollen das mit viel Druck, schlauen Projektroadmaps und Obergescheiten Beratern dann wieder ausbügeln.

Wenn das nicht mehr hilft, dann eben Cost Cutting und noch viel mehr schlaue Berater.

Aber vom Sparen allein ist noch kein Mensch geschickter geworden.

Hohe Kosten entstehen meist nicht, weil die Kostenfaktoren wie Mensch, Maschine und Material zu teuer sind, sondern weil das Zusammenspiel ungeschickt organisiert ist. Ein Haufen Suboptimas ergibt viel Chaos.

Lean strebt bewusst eine Überwindung der Arbeitsteilung nach Taylor an. Deming hat geholfen, das Unternehmen darauf zu fokussieren, die menschliche Fähigkeit zu denken, zu lernen und zu kommunizieren in den Mittelpunkt der Arbeit zu stellen.


Was braucht man dazu, um diese Lean Denkweise umzusetzen?

Jedes Produktionssystem ist ein Zusammenspiel von Mensch, Material, Werkzeug & Information.

Der einzige dynamische/lebendige Faktor im Zusammenspiel Mensch, Material, Werkzeug und Information ist der Mensch.

Nur der Mensch kann dafür sorgen, dass dieses Zusammenspiel nicht nur gut, sondern immer besser wird.

Erfolgreiche Firmen brauchen also Menschen, die ihr Handwerk verstehen und es gerne machen – nennen wir sie Profis.

Es braucht nicht nur fachliche Profis, es braucht auch Profis, die den Produktfluss und nicht ihr Suboptimum verbessern wollen.


Schlank kann ein System nur dann werden, wenn man den Menschen nicht als Kostenfaktor, sondern als den entscheidenden Faktor betrachtet, der die Aufgabe hat, das Zusammenspiel zu verbessern. Ich weiß, „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ steht sicher auch in deiner Strategie. Ob er es tatsächlich ist, siehst du spätestens dann, wenn es mal nicht so läuft.

Lean verlangt viel von den Mitarbeitern. Lean braucht eine Mannschaft, die miteinander und teamübergreifend aktiv ist. Und gerade hier ist auch viel Agilität notwendig. Rasch Abweichungen erkennen, darauf reagieren, Probleme strukturiert lösen, neue Standards erstellen.

Mit wir haben uns lieb, schauen weg wenn wir uns nicht an Vereinbarungen/Standards halten und brauchen immer Harmonie wirds nichts werden mit Lean.

“Having no problems is the biggest problem of all.” – Taiichi Ohno

Lean ist kein Zuckerschlecken! Für die Führungskräfte nicht, und für die Mitarbeiter nicht!

Aber echtes Lean quetscht die Leute auch nicht aus. Hetzen ist nicht gut – das Ziel ist es, zügig und gut zu arbeiten. Profis arbeiten immer mit ruhiger Hand.

Man darf nicht schludern, sich nicht durcheinander bringen lassen. Alle Handgriffe sollen sitzen. Die Mitarbeiter richten sich ihre Arbeitsplätze ein, sie takten sich die Stationen aus, erzeugen ihre Standards und verbessern diese weiter mittels Kaizen.

Je höher diese Kompetenzen sind, desto autonomer können Teams agieren. (Kleiner Seitenhieb: Teams ohne die notwendige Kompetenzen autonomie zu geben, wird zu viel verbrannter Erde und schlechten Ergebnisse führen.)

Toyota ist in dieser Hinsicht schon viele Jahrzehnte sehr viel agiler als so manche New Work Festung.

Auch in der Produktentwicklung sind kurzzyklische Meetings, Projekträume (Obeyas), Kanbanboards schon länger als es Agile Manifest gibt, fest verankert.


Ich traue mich zu sagen, dass 9 von 10 Firmen, die behaupten, dass sie Lean machen, „Schöner Wohnen“-Lean machen. Ein bisschen 5S hier, ein bisschen SMED da.

Und wenn es in deiner Firma darum geht, alle OEEs zu maximieren, dann kannst du gleich wieder umdrehen.

Wie kannst du echte Lean handelnde Führungskräfte erkennen?

  • Lass dir die Kalender zeigen.
  • Der Kalender lügt nicht.

Es braucht Termine am Shopfloor, Termine in Shopfloor Meetings, Termine, um Verbesserungsprojekte (Kaizens) zu reviewen, Termine, um Standards zu auditieren, und Termine, um Mitarbeiter zu coachen… und keine Termine in Besprechungszimmern und Stunden hinter dem Bildschirm mit tollen Folien und einer Menge Kennzahlen.

Wie sieht das bei dir aus?


Aber glaub jetzt nicht, Toyota ist perfekt oder Toyota macht keine Fehler. Natürlich gibt es dort auch täglich Halli Galli.

Aber eines hat Toyota vielen voraus: eine Organisation voller kompetenter, denkender und verbessernder Mitarbeiter, die gerade dann, wenn es schwer wird, noch mehr Motivation entwickeln, um gemeinsam Lösungen zu finden. Und darum geht es doch, wenn man erfolgreich sein will.


Das wars mit Lean und Teil 1

Es geht darum, schnell & fehlerfrei zu arbeiten, dann hat man die Kosten im Griff und kann den Kunden eine große Freude machen! Und nur dann kannst du deinen Mitarbeitern auch einen zukunftssicheren Arbeitsplatz bieten.

Auch beim Thema Agilität geht es darum, rasch gute Lösungen für den Kunden zu entwickeln – nur halt in einem Umfeld mit viel mehr Ungewissheit und Bewegung.

Ich finde, es liegt auf der Hand: Erfolgreiche Firmen brauchen eine hohe Kompetenz in den Bereichen Lean, Agilität und Changemanagement.

  • In jedem wachsenden Startups gibt es viele sich wiederholende Prozesse. Hier hilft die Lean Denkweise.
  • In Unternehmensbereichen mit hoher Turbulenz und unsicherheit, braucht es die agilen Kompetenzen.

Liebe Agile & Lean Community, schaut über den Tellerrand und schlaut euch auf beim „anderen“, ihr werdet es brauchen.

Jetzt bin ich neugierig, habt ihr etwas gelernt? Bist du mit allem einverstanden? Lasst mich gerne deine Meinung wissen.

Bald geht es weiter mit Agilität für die Lean Community.

Wenn du gutes Lean-Zeug lesen willst, dann kann ich dir das hier empfehlen:

#Lean #Management #Kaizen #TPS #Flow

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